“Schimmelpilze” ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, der verschiedene Pilzarten umfasst, die vor allem für die Bildung ihrer asexuellen Sporen bekannt sind und sich saprophytisch ernähren, also tote organische Substanzen als Nahrungsquelle nutzen. Charakteristische Merkmale, die zusammen den Begriff “Schimmelpilze” definieren, sind ihr allgegenwärtiges Vorkommen, das filamentöse Wachstum ihrer Myzelien, ein arttypischer umfangreicher Sekundärmetabolismus sowie die schnelle Wachstumsrate ihrer fast ausschließlich vegetativ wachsenden Myzelien. Diese Eigenschaften deuten an, dass es keine präzise wissenschaftliche biologische Definition für “Schimmelpilze” im Sinne einer Artdefinition gibt. Der Begriff “Schimmelpilz” hat sich historisch entwickelt und bezieht sich heute auf eine Gruppe von Pilzen, die die genannten physiologischen und ökologischen Merkmale aufweisen . Sie gehören zu den obligaten Aerobier, benötigen also Sauerstoff. Daher ist es unwahrscheinlich, dass sie vakuumverpackte Lebensmittel befallen. .
In den unterschiedlichen Herstellungsphasen von Roh(pökel)waren können ungünstige Umstände dazu führen, dass sich Schimmel auf dem Schinken, Speck oder auf der Rohwurst bildet. Die Farbe des Schimmels gibt dabei wenig Aufschluss, ob es sich um einen Edelschimmel handelt oder nicht. Eine sichere Bestimmung kann nur im Labor erfolgen.
Natürlich ist es hart, sein geduldig gepökeltes Fleisch oder seine mit aller Liebe hergestellte Rohwurst einfach dem Mülleimer zu übergeben. Deswegen sucht so mancher Hobbymetzger nach einer Lösung und hofft, diese in der Gemeinschaft anderer Räucherfreunde zu finden. Dabei kommen nicht selten sehr fragwürdige Ratschläge wie diese heraus:
- Weißer Schimmel ist immer ungiftig (Edelschimmel)
- Schimmel kann durch Abbürsten entfernt werden
- Schimmel kann mit einer Salzlösung abgewaschen werden
- Schimmel kann mit hochprozentigem Alkohol abgewaschen werden
- Schimmel kann man großzügig wegschneiden
- Nach der Schimmelentfernung verhindert weiteres Räuchern erneute Schimmelbildung
- Das Produkt bleibt genießbar
Aber Achtung: solche Tipps sind mit äußerster Vorsicht zu genießen!
Spontane Schimmelbildung ist immer ein Spiel mit der Gesundheit
Eine vollständige Vermeidung der Aufnahme von Mykotoxinen durch Lebensmittel ist zwar nicht möglich, jedoch lässt sich das Risiko einer Kontamination durch verschiedene Maßnahmen deutlich reduzieren. Jedes Lebensmittel, das spontan verschimmelt, sollte als potenziell giftig betrachtet und daher weder von Verbrauchern konsumiert noch an Nutztiere verfüttert werden. Mykotoxine können in Lebensmittel eindringen und sich durch Diffusion ausbreiten, sodass das einfache Entfernen verschimmelter Bereiche eines Produkts nicht ausreicht. Der Verzehr von schimmelgereiften Käse-, Fleisch- und Wurstwaren hingegen gilt als unbedenklich, da bei deren Herstellung ausschließlich kontrollierte, toxinfreie Schimmelstämme verwendet werden .
Ich habe in der TU Berlin im Fachbereich “Angewandte und molekulare Mikrobiologie” nachgefragt und von Herrn Dr. Udo Schmidt folgende Antwort erhalten, die wir mit seiner freundlichen Erlaubnis hier zitieren:
Bezüglich der Eindringtiefe von Schimmelpilzen: Schimmelpilze sind strikt aerobe Mikroorganismen, d.h. sie brauchen für das Wachstum Sauerstoff. Folglich werden sie an der Oberfläche eines Lebensmittels am besten wachsen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch in das Lebensmittel eindringen können. Je kompakter, trockener, salzhaltiger, saurer das Lebensmittel ist, desto schwieiriger wird es.
Eine generelle Aussage oder Ferndiagnose, wie tief Schimmelpilze in gepökeltem, geräuchertem Fleisch und dessen Produkten hinein wachsen können, würde ich auf keinen Fall wagen. Das hängt von den genannten Bedingungen und dem Pilz selber ab.
Unabhängig davon, würde ich persönlich ein Lebenmittel mit Schimmelpilzbefall in welcher Größenordnung auch immer aus den Ihnen bereits bekannten Gründen nicht mehr essen, da Sie nie wissen können, ob und unter welchen Bedingungen Mykotoxine gebildet werden, von denen mehr als 400 verschiedene bekannt sind. Das kann immer möglich sein. Sie werden vom lebenden Pilz ausgeschieden oder durch Zerstörung der Pilzhyphen freigesetzt und diffundieren dann in Ihr Lebensmittel. In welchen Konzentrationen? Wie tief? Wer will das wissen?
Hier noch einige Infos zu Mykotoxinen im Allgemeinen:
G.H. Degen, Mykotoxine in Lebensmitteln – Vorkommen, Bedeutung und gesundheitliches Risiko. Bundesgesundheitsbl. 60, 745-756 (2017)
C. Weiß, Mykotoxine, Teil 1 & 2, Ernährungs Umschau 6/2010, 316-324 bzw. 7/2010, 374-382
Fungi producing significant mycotoxins: IARC Sci Publ. 158:1-30 (2012).
P.A. Murphy, S. Hendrich, C. Landgren, C.M. Bryant: Food Mycotoxins: An Update, Journal of Food Science 71, R51-R65 (2006)
Auszug über Mykotoxine aus der Wikipedia:
Alle verschimmelten Nahrungsmittel können Mykotoxine enthalten.
Mykotoxine können bei Menschen und bei Tieren bereits in geringen Konzentrationen toxische Wirkungen zeigen.
Insbesondere können Mykotoxine
- krebserregend (karzinogen) wirken
- das Zentralnervensystem schädigen (neurotoxisch wirken)
- das Immunsystem schädigen (immunsuppressiv wirken)
- das Erbgut schädigen (mutagen wirken)
- die Leibesfrucht schädigen (teratogen wirken)
- Organschäden (z. B. an Leber oder Niere) verursachen (hepatotoxisch oder nephrotoxisch wirken)
- bei Berührung Haut- und Schleimhautschäden (von Hautreizungen bis Nekrosen) verursachen
- enzymatische Stoffwechselprozesse hemmen oder einleiten
- allergische Reaktionen auslösen
- durch hormonelle Wirkungen Fruchtbarkeitsstörungen hervorrufen.
Quelle:
Fazit:
Es mag sein, dass der Schimmelpilz selbst nur oberflächlich sitzt und durch Abwaschen entfernt werden kann. Unklar ist jedoch, um welche Art von Pilz es sich handelt, ob und wieviel Gift er bereits produziert hat und wieviel davon ins Lebensmittel eingedrungen ist.
Daher lautet die Empfehlung weiterhin, bei jedweder spontaner bzw. unbestimmter Schimmelbildung das Lebensmittel zu entsorgen – so schwer es auch fallen mag.